Am Donnerstag, den 22. Dezember 2022, im Rahmen der Veranstaltung »Made for Europe – Gallery Walk«, durfte die Galerie Buchkunst Berlin Frau Renate Krekeler-Koch, Referentin für politische Bildung der Europäischen Akademie Berlin und S.E. Botschafter Dr. Paul Seger, Botschafter der Schweizerischen Eidgenossenschaft in der aktuellen Ausstellung zu einer Gesprächsrunde begrüßen.

Wir sind sehr stolz, Teil dieser Veranstaltung gewesen zu sein, und freuen uns, dass Thomas Gust eine kurze Einführung in die Ausstellung EAST TO EAST und den Fotografen Klavdij Sluban geben konnten, und dabei auch über den universellen Kosmos und die völkerverbindende Botschaft seiner Aufnahmen sprachen.

Klavdij Sluban Fotografien entstehen auf Reisen – zuerst auf den Balkan und auf der Transsibirischen Route – später bis nach China und Japan. Gegensätzlich verlaufende Geschwindigkeiten begegnen sich in seinen Aufnahmen. Momente tauchen aus dem Dunklen auf und gefrieren zu Statuen. Der Aufprall der entschleunigten Aufzeichnung auf die Wirklichkeit schaffen eine Freiheit der Bewegung unserer Gedanken und Assoziationen. Jetzt reisen wir durch die Zeit unserer Erlebnisse und die Geschichte, welche wir mit all den Ländern verbinden. Länder in Osteuropa, die sich bis heute in politischen und gesellschaftlichen Transformations-Prozessen befinden, deren Auswirkungen wir miterleben, bis hin zum aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine. Es ist eben auch unsere Geschichte. Klavdij Sluban verbindet mit seinen Aufnahmen auf einer zeitlosen und kulturellen Ebene Menschen und Landschaften zu einem universellen und poetischen Zyklus. Die Gemeinsamkeiten in unserer gemeinschaftlichen Europäischen Welt sind sichtbar, werden auch Teil der Überlieferung.

Der Schriftsteller Paul Celan wurde in Czernowitz geboren, heute Tscherniwzi, davor Czerniowce und Cernauti. Immer neue Menschen kommen voller Hoffnung, werden vertrieben und schlimmeres. Fliehen, kommen neu an oder zurück. Heute beherbergt die Hauptstadt der Westukraine und ehemaliger Bukowina 100.000 ukrainische Binnenflüchtlinge.

Im Dezember 2007, vor 15 Jahren, erklärten Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei und Slowenien und im Oktober 2004 die Schweiz, die Abschaffung ihrer Landes- und Seegrenzen und im März 2008 die Aufhebung der Flughafen-Grenzkontrollen. Ein weiterer Baustein im Erfolgskonzept des Schengener Abkommens.

Und auch Klavdij Sluban selbst ist das beste Beispiel für diese Europäische Geschichte: Seine Eltern fliehen Anfang der 60er Jahre aus dem kommunistischen Jugoslawien aus Slowenien nach Frankreich, Sluban wird in Paris geboren. Seine erste große Reise folgt mit 18 Monaten, als er zurück nach Slowenien geschickt wird, als Jugendlicher kehrt er nach Paris zurück und beginnt mit 14 Jahren zu fotografieren. Erst einmal studiert er Literatur und nach seinem Abschluss beginnen seine fotografischen Reisen. Paris versteht er als einen neutralen Ausgangspunkt für seine Reisen und sein Leben, viel Zeit verbringt er aber auch in Slowenien, wo seine Familie lebt. Er ist ein slowenischer Franzose, sozusagen.

Die Wirkungsweise des Romans als Vorläufer des Kinos, die visuelle Rezeption von Literatur überträgt er auf sein Sehen und das Fotografieren. Diese semantische Übertragung lässt Klavdij Slubans Bilder zeitlos erscheinen und die entschleunigende Wirkung seiner Landschaften, Szenen und Portraits breitet sich vor uns aus. Oft verwendet er bewusst lange Belichtungszeiten und arbeitet mit fast geschlossener Blende, wie um die Stille in die Bilder zu bannen, um neue und doch mythische Ordnungssysteme in einer scheinbar stehengebliebenen Zeit wiederzugeben.

Schnee fällt auf die Narben der Geschichte und auf die Spuren die wir hinterlassen. Und das ist die friedliche und auch weihnachtliche Botschaft dieser Ausstellung: auf einer inter-kulturellen Ebene den Menschen und Landschaften in denen sie leben, begegnen zu können, gemeinsame Werte und Grundbedingungen einer friedlichen und humanistischen Verständigung zu schaffen, diese sichtbar zu machen und in die Gesellschaft zu tragen. Und grundsätzlich für diese Werte, die der Grundgedanke eines europäischen Werte-Kanons sind, überall einzutreten.

Text: Thomas Gust